Es ist 10 Uhr morgens, als ich
beim Weingut Weinreich ankomme. Marc Weinreich begrüßt mich etwas überrascht.
„Oh Gott, das tut mir leid, ich habe dich ja komplett vergessen“. Mit diesen
Worten startet auch die Führung durch den Betrieb. Ein eindrucksvoller Bau! Im
Keller angekommen treffen wir auf Marcs Bruder Jan, den „Kellermeister“ des
Weinguts. Der ist gerade dabei, Holzfässer sauber zu machen. Die beiden Brüder
einigen sich darauf, dass man unbedingt noch heute einige Fassproben machen
muss. Und ich wurde kurzerhand darin eingeplant. Aber dazu später mehr!
2009 schloss Marc Weinreich sein Studium zum Weinbauingenieur ab. Als sein Vater starb übernahm er den elterlichen Betrieb, in dem sein drei Jahre älterer Bruder bereits einige Jahre arbeitete. Es wird gemeinsam an einem Strang gezogen, auch wenn die derzeitige Entwicklung eine klare Trennung vorgibt. Marc vertritt das Weingut nach außen hin, entwickelt sich zum Gesicht "der Marke" Weinreich, während Jan für den Keller zuständig ist. Doch wer sie einmal besucht hat, der weiß, dass es immer noch beide sind, die denken und lenken, gemeinsam.
Bewirtschaftet wird ökologisch und das zertifiziert! Gelesen wird per Hand. Hier steht Überzeugung hinter jedem Arbeitssschritt und das spürt und merkt man auch! Eindrücke über Eindrücke...
Nachdem wir unsere kleine
Besichtigungstour beenden folge ich Marc in die Probierstube. Dort schenkt er
mir erst einmal zwei scheinbar normale Weißweine ein. „Das sind, wie der Name
schon sagt, unsere Basisweine. Die typische Basis bei vielen Winzern ist die
Literflasche. Das hier ist unser Versuch, die Literflasche in einen Dreiviertel-Liter zu verpacken. Und es kommt gut an. Diese Weine sind aber
nicht ab Hof erhältlich.“ Schade eigentlich! Vor allem der „basisrot“ (der
erst später bei der Probe kam) gefällt mir sehr gut mit seinen Kirsch-,
Waldbeer- und Himbeernoten. Ein toller, fruchtiger, trinkiger Wein, der einfach
Spaß macht!
Wir kommen gerade noch zu den
Gutsweinen und können diese abschließen (hier sticht für mich vor allem der
„Chardonnay&Weißburgunder“ heraus, der mit seiner floralen Note, etwas
Sahne und dem schönen Extrakt überzeugt), als auch schon ein gut gelaunter Jan
mit den Fassproben durch die Tür kommt. Dann heißt es, sich durch alle Proben
durchzukämpfen. Für mich ist es oftmals schon schwer, Flaschenweine zu bewerten
und einzustufen. Aber die meisten Fassproben machen es mir noch schwerer,
gleichzeitig sind sie aber auch interessanter. Ich gebe mir die allergrößte
Mühe, doch bei den Sektgrundweinen ist Schluss. Was ich für Orange Wine halte
soll wirklich die Basis für Sekt sein?
Aber ein plötzliches Getümmel
reißt mich aus meinen Gedanken. Daran, dass hier ständig eines der beiden
Kinder (Jan’s Sohn oder der von Marc) durch das Zimmer huscht und immer mal
wieder einen Schluck von jeweils seinem Glas mit Traubensaftschorle (auch mit
Weinreich-Etikett) nimmt, habe ich mich schon gewöhnt. Es kommst mir sogar sehr
sympathisch und normal vor. Doch langsam werden die Vorbereitungen für das
gemeinsame Mittagessen genommen. Auch in dieses werde ich kurzerhand
integriert!
Frisch gestärkt (☻) geht es an die Orts- und Lagenweine. Durch die ganze Reihe der Ortsweine
zieht sich diese saftige Cremigkeit, die (wie mir alle Winzer hier auch
vermitteln) vom Kalkstein kommt. Der Geschmack, ja der ganze Wein hängt also
auch vom Boden ab. Oder kann/darf man auch sagen: Vom Terroir? Terroir wäre
wohl besser als Herkunft zu bezeichnen meint Marc, das ist schon das große
Geheimnis! Der Begriff wäre abgenutzt. Er ist also nur noch ein Schatten seiner
selbst, nicht mehr genau definiert. Ob das gut oder schlecht ist sei dahin
gestellt!
Daraufhin folgen die Roten. Den Anfang macht auch hier wieder ein Vertreter der "basis"-Reihe, nämlich der "basisrot_2011". Ein stimmiger, samtiger Rotwein, eigentlich viel zu gut, um ihn nicht ab Hof zu verkaufen, aber er wird nun mal nur im Handel erhältlich sein. Ein weiterer schöner Kandidat ist der 2010er Bechtheimer Schwarzriesling, der mit sensationeller Frucht und gleichzeitig mit feiner Würze und einem vollmundigen Körper besticht! Den krönenden Abschluss jedoch bildet der Rosengarten 2010, der sehr starken Holzeinfluss hat, sehr zu Lasten des Weins. Doch das wird sich mit der Zeit geben. Außerdem präsentiert er sich ja nebenbei noch spielerisch fruchtig. Und der wichtigste Fakt ist, dass er unfiltriert abgefüllt wurde, was ihm glaube ich gut tat!
Und weil in den Winzern ja auch doch noch normale Menschen stecken (was sich mir ja schon beim Mittagessen offenbart hatte ☻), ergibt sich nach der Probe noch ein längeres Gespräch bei Kaffee und einem Stück Osterlamm in Hasen-Form. Es wird einiges beredet und nach kurzer Zeit steht fest, dass diese Woche noch einmal etwas unternommen werden muss! Es fühlt sich auf der einen Seite schon befremdlich an, mit Menschen, die man am Morgen erst kennen gelernt hat zusammen Kaffee zu trinken und Pläne für gemeinsame Unternehmungen zu schmieden, aber ich fühle mich pudelwohl dabei! Leider konnte das Gespräch aufgrund des kühlen Wetters nicht an diesem originellen Tisch stattfinden...
Orange Wine zu Sekt...
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